Als ich neulich eine Veranstaltung besuchte, sprachen Mitarbeiter des Unternehmens zum Thema „Digitalisierung“ und zeigten stolz auf wie „digital“ das Unternehmen denn schon ist. Es war eine Auflistung von Softwarenamen der eingeführten IT-Programme. Was fehlte war die gesamtheitliche Prozessbetrachtung und gute Integration in die Abläufe und Kernprozesse. Es verwundert kaum, dass in diesem Unternehmen IT als etwas Belastendes wahrgenommen wird.
Digitalisierung und eine erfolgreiche Transformation sind mehr als nur die Einführung von Software. 7 Gedanken dazu:
1. Betrachten Sie das Gesamtsystem
Als Vorstand anzuordnen „morgen sind wir digital“ ist ebenso nur gut gemeint und sinnbefreit wie die nachhaltige Umsetzung der meisten Neujahrsvorsätze.
Digitale Transformation verändert das Gesamtsystem, die Organsation, die Unternehmenskultur, Abläufe und Prozesse, aber auch die Umwelten und die Einstellung der MitarbeiterInnen und deren Aufgaben. Es ist daher unabdingbar das Gesamtsystem und seine Schnittstellen und Umwelten genau zu betrachten und im Zuge der digitalen Transformation mit zu verändern.
(Ver-)Schaffen Sie diesen Überblick, erkennen Sie das grosse Ganze und entwickeln Sie ein Gefühl welche grosse und vielschichtige Aufgabe vor Ihnen liegt. Lösen Sie den Gedanken von einzelnen Programmen und Apps, zeichnen Sie das „Big Picture“.
Erhalten Sie Bewährtes dort, wo es sinnvoll ist. Denn nicht alles Neue ist immer besser.
2. Erkennen und verkaufen Sie den (Kunden-)Mehrwert
Warum digitalisieren ? Was erwarten Sie sich davon ? Was sind die Ziele des Vorstandes, des Unternehmens ? Was bringt es der Organisation an Mehrwert im Vergleich zum Ist ?
Was bringt es dem Kunden ? Wo wird die Organisation auch im Kundenerlebnis besser, schneller, effizienter, transparenter ?
Jede Organisation sollte sich diese Fragen stellen, die für sie passenden Antworten finden und diese auch kommunizieren. Dies ist eine klare Aufgabe des Managements und der Führungskräfte.
Veränderungen mit derart grossen Auswirkungen brauchen Marketing. So wie neue Produkte extern promoted werden müssen, sollte auch ein solches Projekt in der Organisation entsprechend promoted und vermarktet werden. Holen Sie sich die Marketingexpertise mit ins Boot.
Erklären und kommunizieren Sie das Warum, die erwarteten Ziele und Verbesserungen und vor allem auch den Weg dorthin. Schaffen Sie Kommunikationsplattformen, Raum um Fragen zu stellen und zu informieren.
3. Digitalisierung ist keine Aufgabe der IT
Digitale Transformation betrifft alle Bereiche einer Organisation. Demnach müssen auch alle betroffenen Bereiche in den jeweiligen Projekten vertreten sein. Digitalisierung ist in der Verantwortung ein Thema der Geschäftsführung, des Vorstandes. Die IT ist das Werkzeug dazu.
Für eine erfolgreiche Umsetzung sind die Projektteams eine Schlüsselrolle. Der Hierachie-Mix, Bottom Up, Top Down, Mix der Entscheidungsträger und -wege sowie Fachexperten aus den betroffenen Prozessschritten sind notwendige Player in der Besetzung von Projektteams. Beziehen Sie alle Ebenen mit ein. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass Führungskräfte genau wüssten, wie an der Basis gearbeitet wird und welche Bedürfnisse es dort gibt.
Heterogene, interdisziplinäre Projektteams stärken auch die Kommunikation, Transparenz und letztendlich Identifikation mit den Zielen. Kommunikationstools und Hilfsmittel wie Multiplikatoren, Story telling, Erfolge feiern und aus kommunizierten Fehlern lernen werden Sie in den Projekten unterstützen.
Erlauben Sie den Blick von Aussen. Im eigenen Saft zu kochen und nur den eigenen Bildern und Wahrheiten zu folgen ist riskant. Externe, partielle Unterstützung richtig eingesetzt bringt Ihnen hier die notwendige Sicherheit und ergänzenden Perspektiven.
4. Führen Sie begleitende Organisationsentwicklungs- (OE) und Change Prozesse ein
Digitalisierung ist ein grosser Wurf, eine Geburt, die Schaffung neuer Arbeitsbiotope. Die gewollte Veränderung der Organisation und deren Entwicklung.
Der HR-Bereich ist dabei mindestens ein ebenso wichtiger Sparring-Partner wie die IT. Veränderung schafft Ängste. Comfortzonen verschieben sich, liebgewordene Routinen gehen verloren, Aufgaben werden neu definiert, Ressourcen umgeschichtet, und es gibt viel Neues zu lernen. Ängste werden entstehen – Angst vor dem Neuen, Angst vor Änderung, Angst um den Arbeitsplatz …. Das alles sind Veränderungen die unmittelbar auf das Verhalten und die Psyche der Mitarbeiter wirken und somit auf deren Arbeitsleistung.
Bedenken Sie dies in Ihren Projekten, setzen Sie die begleitenden Projekte und Massnahmen gemeinsam mit HR und OE um. Nutzen Sie die HR auch als Ansprechpartner für die menschlichen Bedürfnisse der MitarbeiterInnen und steuern Sie so aktiv aufkommenden Wogen und Belastungen entgegen.
5. Nehmen Sie die MitarbeiterInnen mit auf die Reise
Erklären Sie den Sinn. Frei nach Exupéry: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
Es geht hier nicht um die Sehnsucht, sondern um den Purpose, die Erklärung des „Warum“, den Zweck, diesen einen Sinn, der Mitarbeiter und die Organisation vorantreibt. Eine Identifikation die verbindet.
Betroffene zu Beteiligten machen, in die Abläufe und Umsetzungen einzubinden, zu informieren, ein Gefühl von Sicherheit zu geben und aktiv auf Ängste hören. Es gibt viele Wege der Integration. Haben Sie den Mut auf dieser Reise auch Neuland zu betreten und leben Sie den Change selbst aktiv mit und vor – auf allen Ebenen.
6. Sprechen Sie auch über Fehler und das erfolgreiche Scheitern
Riskieren Sie ein blaues Auge. Nicht alles wird perfekt laufen, manche Idee sich als „Fehler“ entpuppen. Seien Sie stolz darauf und feiern Sie das.
Fördern Sie eine (neue) Fehlerkultur, das erfolgreiche Scheitern und dann darüber zu sprechen. Es ist nicht relevant wer den Fehler gemacht hat. Wichtig ist daraus zu lernen, nach zu justieren und die Systeme und Abläufe so abzustimmen, dass dieser Fehler nicht erneut passiert, die Entwicklung dadurch gefördert wird.
Fehler schaffen Raum für Erkenntnis und Entwicklung. Nutzen Sie diese Chance.
7. Feiern Sie den Erfolg. Schaffen Sie klare, erreichbare Ziele
Wann ist die digitale Transformation erfolgreich? Mit der Erreichung der Ziele ? Umsetzung der Teilprojekte ? Einführung neuer Software ?
Aus meiner Sicht ist es wie beim Autofahren lernen. Wenn das Bremsen, Kuppeln, Schalten, Gas geben von bewussten, überlegten Handlungen zu gut trainierten und „blind ablaufenden“ Tätigkeiten geworden sind, man flüssig und reibungslos fahren kann, dann wurde das Neue gut etabliert.
Lege ich das nun auf die digitale Transformation des Unternehmens um, ist diese dann erfolgreich, wenn die gesetzten Ziele erreicht wurden und die dahinter notwendigen und zu Grunde liegenden, neuen Abläufe und Tätigkeiten so in die wertschöpfenden Kernprozesse integriert wurden, dass es für die MitarbeiterInnen zum gelebten Alltag und zur Selbstverständlichkeit geworden ist.